Projektabwicklung: Organisierte Verantwortungslosigkeit?
Nach dem KBA Hard Debakel wird klar, dass es in der Stadt grosse Defizite in Bezug auf Leadership und Führungsstrukturen gibt.
Grossstadtrat Daniel Preisig initiiert eine Diskussion im Grossen Stadtrat.
INTERPELLATION
PROJEKTABWICKLUNGEN IN DER STADT: ORGANISIERTE VERANTWORTUNGSLOSIGKEIT?
Der Bericht vom ehemaligen Obergerichtspräsident David Werner zur KBA Hard und die Reaktionen darauf haben deutlich aufgezeigt: Obwohl «Fehler gemacht» wurden, mag dafür niemand politisch verantwortlich sein! Der Bericht wird von den involvierten Personen als Entlastung – man könnte auch sagen «umfassendes Weisswaschen» – wahrgenommen.
Dass niemand juristisch zur Rechenschaft gezogen werden kann, ist das eine. Schliesslich konnte kein Vorsatz oder Fahrlässigkeit nachgewiesen werden. Das andere – und weit irritierender – ist die Tatsache, dass niemand dafür die politische (nicht juristische!) Verantwortung übernimmt. Nach dem klassischen Verständnis von Management und Führung ist der Chef für sämtliche Tätigkeiten in seinem Unternehmen verantwortlich. Der frühere CEO Oswald Grübel der UBS übernahm nach einem gravierenden Fehler einer seiner etwa 60‘000 Mitarbeiter persönlich die Verantwortung und trat zurück . Soweit muss man nicht ge-hen. Trotzdem: So wie die Geschäftsleitung in einem Unternehmen für das Handeln ihrer Mitarbeiter verantwortlich ist, so ist es der Stadtrat letztlich für die Mitarbeiter der Verwaltung. Heikel wird es insbesondere bei personellen Fehlbesetzungen und mangelnder Kontrolle. SN-Redaktor Robin Blanck stellte in seinen Leitartikel treffend fest, dass die politisch Verantwortlichen ihre Aufsichtsfunktion nicht ausreichend wahrgenommen haben. «Das ist nicht strafbar, aber ein sträfliches Versagen.»
Beim Zweckverband und der Stadt (mit ihrem Mehrheitsanteil von 70% und entsprechenden Vertretung in den KBA-Gremien) besteht ein seltsames Verständnis von Verantwortung: Statt selbstkritisch nach Fehlern zu suchen und entsprechend Verbesserungen für die Zukunft einzuleiten, versteckt man sich hinter den eigens eingesetzten und offensichtlich ungenügend geführten Mitarbeitern («… es hiess immer, es würde nur noch wenig fehlen, bis die Anlage voll funktioniere.» ). Genügt es, wenn man als Chef nur «die richtigen Fragen» stellt, sich aber mit den «falschen Antworten» zufrieden gibt? Wohl kaum.
Der Stadtrat zeigt aktuell wenig Leadership. Der Stadtpräsident bleibt auf Tauchstation. Man macht es sich zu einfach, wenn man die ganze Schuld [unausgesprochen] einfach dem ehemaligen Baureferenten in die Schuhe schiebt. Drei der aktuell amtierenden Stadträte waren bereits vor 2013 im Stadtrat, auch der Stadtpräsident. Der Stadtrat wirkt als Gremium und der Stadtpräsident hat eine Aufsichtsfunktion. So hält es die Stadtverfassung schwarz auf weiss fest. Das am 21. Januar 2014 überwiesene und vom Stadtrat begrüsste GPK-Postulat präzisiert diese Formulierung für Projekte. Und auch in der Baukommission – dem Gremium, das mitverantwortlich ist – gibt es keine Konsequenzen und keine Rücktritte.
Die Verweigerung Verantwortung zu übernehmen, ist ein schlechtes Signal für alle Mitarbeiter. Noch schlimmer aber ist, dass absolut kein Wille zu strukturellen Verbesserungen erkennbar ist. Wo man sich keiner Fehler bewusst ist, kann man auch nicht daraus lernen.
Und auch strukturell besteht Handlungsbedarf: Das Organigramm des KBA-Projektes liest sich mit dem ganzen Wirrwarr von Finanz-, Delegations-, Wahl- und Vorgesetztenkompetenzen wie das Schema der organisierten Verantwortungslosigkeit .
Wie schon beim Debakel um das Künzle-Heim wurde in der Baukommission nicht kritisch genug reflektiert, sondern es herrschte Harmonie. «Die Kommissionen haben ihre Beschlüsse einstimmig gefasst, und wesentlicher Widerstand einzelner Mitglieder ist nicht zu sehen.»
Auffällig ist ausserdem die Vermischung der Rollen von Exekutive und Legislative: In den Baukommission (regierungsseitige Kommission) sassen bzw. sitzen in der Regel auch Vertreter des Parlamentes, obwohl diese die Geschäfte der Exekutive überwachen sollen. Ein klarer Interessenskonflikt.
Grundsätzlich muss man die Frage stellen, ob Gremien wie die Baukommission für die operative Führung (und nicht nur zur beratenden Begleitung) von Projekten sinnvoll sind. Aus der Gruppenpsychologie wissen wir, dass Mitglieder einer Gruppe zu «sozialem Bummeln» (social loafing) und Harmonie neigen. Verteilte Verantwortung funktioniert nicht.
Beim Künzle-Heim hat der Stadtrat die Baukommission nicht als ein beratendes, unterstützendes sondern als ein abschliessend entscheidendes Gremium wahrgenommen. Auch bei der Erneuerung der KBA Hard verfügt die Baukommission über Entscheidungsbefugnisse und ist kein rein beratendes Gremium .
Es ist wichtig, dass jetzt nicht einfach zur Tagesordnung übergegangen wird, sondern die führungspolitischen und strukturellen Mängel aufgearbeitet und für die Zukunft Verbesserungen eingeleitet werden. Deshalb bitte ich den Stadtrat im Rahmen dieser Interpellation um die Erörterung folgender Fragen:
1. Warum ist der Stadtrat (Stadt hat 70% Anteil an Zweckverband) im Fall der KBA Hard nicht bereit, Leadership zu zeigen und die politische Verantwortung zu übernehmen? Was hindert den Stadtpräsidenten und den Stadtrat daran, die Fehler offen zu benennen und daraus zu lernen?
2. Wie sinnvoll sind Baukommissionen grundsätzlich für die operative Führung von Projekten?
Wäre es nicht zielführender, ein dem Stadtrat unterstellter Projektleiter (bzw. eine klare hierarchische Struktur von Projekt- und Teilprojektleitern) mit klaren Verantwortlichkeiten einzusetzen?
Die Baukommission könnte als rein beratendes (und nicht als entscheidendes!) Gremium unterstützen.
3. Wie werden Projektorganisationen in anderen Kantonen strukturiert? Ist das Schaffhauser-Modell mit einer Baukommission mit Entscheidungsbefugnissen ein Sonderfall? Falls ja, warum wird daran festgehalten?
4. Gibt es aus der Erfahrung anderer Kantone klarere Organisationsstrukturen
a) für stadtinterne (Bau-)Projekte und
b) für Verbandsprojekte (analog Zweckverband)?
5. Wie beurteilt der Stadtrat die bisherige Besetzungspraxis der Baukommissionen?
a) Wurde bei der Besetzung der Kommissionen genügend auf Fachkompetenz geachtet?
b) Wurden bei der Besetzung der politischen Vertreter auch kritische Vertreter eingebunden? Wie wird dies sichergestellt?
c) Erachtet es der Stadtrat als zulässig und zielführend, auch Vertreter des Parlamentes zu involvieren, obwohl damit ein Interessenskonflikt entsteht (Parlament hat Aufsichtsfunktion)?
Ich freue mich auf eine interessante und zielführende Diskussion.
Mit besten Grüssen
Daniel Preisig
Grossstadtrat SVP Schaffhausen